Südlich von Santiago de Chile auf der Panamerikana, heißt es Kurs Süd und man will so schnell wie möglich Patagonien erreichen. Dabei bleiben die Landstriche rechts und links oft unentdeckt. Doch die chilenischen Weinanbaugebiete, die Bilderbuchvulkane, die "Los Lagos" Region und nicht zu vergessen, die Surfparadiese am Pazifischen Ozean versprühen einen ganz besonderen Charme. Auch für die Freunde von erdigen und schottrigen Pisten wird viel geboten. (Text u. Fotos: Karl Spiegel, Fotos: Barbara Müllner)
Der „große Tag“, das Motorrad wartet. Raus aus der Metro erwartet uns ein Gewirr an Straßen und es bedarf mehr als ein Blick auf die Karte um die richtige Richtung einzunehmen. Ausgerechnet heute strahlt die Sonne in voller Stärke beinahe senkrecht über unseren Köpfen und bietet fast 30° Grad. Die Motorradjacke ist zum Laufen bei diesen Temperaturen nicht wirklich förderlich. Innerhalb von wenigen Sekunden ist mein rotes Baumwoll T-Shirt restlos nass und auch die entstehenden Gerüche verändern sich in Richtung Naserümpfen. Viel weiter als angenommen zieht sich der Weg durch die Wohnorte der gehobenen Mittelschicht von Santiago de Chile. Große SUV der deutschen Nobelmarken finden sich fast in jeder Garageneinfahrt. Endlich ist die Straße erreicht in der unsere Motorradvermietung "ride-chile" zuhause ist.
Mike und Thomas haben uns bereits erwartet und unsere Yamaha 660 Ténéré steht fertig in der Ausfahrt. Offensichtlich sieht Thomas mein ziemlich rotes und verschwitztes Gesicht und bietet uns sofort zwei Gläser mit köstlichem Mineralwasser an, in dem glitzernde Eisblöcke viel Erfrischung versprechen. Das tut gut. Die innere Hitze, die Spannung verlässt uns und ich bin bereit für den unvermeidlichen Papierkram. Einen Berg von A4 Seiten gilt es zu unterschreiben und die Abbuchungen für die Miete und die Kaution zu machen. Nun kann ich auch gemütlich die Yamaha ein bisschen genauer ansehen. Erst dachte ich, die sieht ja ganz schön mitgenommen aus, bis ich genauer hinsehe und entdecke, dass lediglich die faltige Tankschutzfolie die Optik stört. Stolz zeigt mir Mike den angebauten Scotoiler und gibt mir auch noch einen halben Liter Spezialöl mit, nicht ohne den Hinweis immer schön auf die Kette aufzupassen, dass diese auch stets gut geschmiert ist. Und wäre dies noch nicht genug legt er auch noch eine große Dose Kettenspray in den Koffer. Kopfschütteln verursache ich, als ich noch sage, dass ich den Tankrucksack gar nicht brauche. Nur mit etwas Überredungskunst gelingt es mir, dass dieser wieder abmontiert wird.
Aber ich bin gierig endlich aufzusitzen und loszufahren. Sanft rastet der erste Gang ein und wir rollen vom Hof. Doch ich gebe keine gute Figur ab. Wie ein Anfänger schlingere ich die ersten paar Meter davon. Ich muss mich erst einmal an die, für mich ungewohnte, Lenkgeometrie gewöhnen. Doch nach einigen Kilometern Fahrtstrecke gewinne ich mehr und mehr Vertrauen in die Maschinen. Natürlich muss ich mich auch damit anfreunden, dass ein Einzylinder runder gefahren werden muss, damit dieser nicht unwillig in die Kette haut.
Nach einem kurzen Zwischenstopp im Hostal soll es gleich mal hinauf in die nur rund 50 Kilometer entfernten Anden und die dortigen Skigebiete gehen. Entlang der großen durch den Stadtkern führenden Straße Providencia, kommen wir vorbei am noblen Wohn- und Einkaufviertel „La Golf“, in dem die Glaspaläste von Shoppingzentren, Versicherungen, Banken und teuren Appartementanlagen um die Wette protzen.
Die acht Millionen Metropole zieht und zieht sich und weit und breit sind keine Hinweisschilder zu entdecken. Also beschließe die Grobe Richtung auf die Berge zu nehmen. Langsam verlassen wir die dicht besiedelten Stadtviertel. Doch ob wir richtig sind oder nicht lässt sich nicht sagen. Einige Kilometer weiterbeschließen wir dann, auch wegen der vorgerückten Zeit, umzukehren und einfach die erste Ausfahrt als Installation-Lap zu sehen. Und was noch viel ausschlaggebender ist, mein Magen knurrt mächtig und hat Hunger.
Also Maschine gewendet und zurück in die City. Doch lange dauert die Fahrt nicht, es ist Rushhour in Santiago und über die sechs und achtspurigen Straßen quält sich der Verkehr in und aus der Innenstadt. Schnell lerne ich den Fahrstil der einheimischen Motorradfahrer zu kopieren und folge diesen wie ein Schatten. Im Kielwasser geht es in hohem Tempo zwischen den Autos und Bussen hindurch. Und mehr als einmal möchte ich nicht eine dicke Tageszeitung zwischen die Lenkerenden und dem Bus schieben. Permanente, wieselflinke Kurs- und Spurwechsel bestimmen den Rhythmus. Es ist wie Tanzen auf der Straße und macht gehörigen Spaß. Schnell, fast zu schnell, sind wir am Plaza d’Italia und am Hostal. Eine neue Erkenntnis macht mir richtig Freude. Auch Kolonnenhüpfen in der Stoßzeit kann richtig Spaß machen. Bei einem „typischen“ Chilenischen Afterwork-Essen, das heißt Papas Fritas und kühlem chilenischem Bier aus Literflaschen, beschließen wir den heutigen Motorradtag.
Nach einem sehr üppigen Frühstück mit leckerem „Jugo Natural“, frisch gepresstem Orangensaft, füttern wir das Navi mit unserem nächsten Ziel; Santa Cruz. Doch das Navi will immer wieder auf die Autobahn. Entnervt gebe ich irgendwann nach und ehrlich gesagt ich will auch so schnell wie möglich aus der Metropole raus. Endlich finde ich die Abfahrt auf die Landstraße, die G60. Herrlich lässt es sich cruisen. Kaum, bis gar kein, Verkehr erlaubt es den Augen die karge, trockene Landschaft zu scannen. Immer wieder erstaunlich ist wie viel einfacher es auf dem Land im Vergleich zu Deutschland zugeht. So wohnen vier- bis fünfköpfige Familien auf kaum mehr als 30m², ohne Keller. Dafür aber mit recht großen eigenen Gärten für den Gemüse- und Früchteanbau. Kurz vor San Petro gehen dann die Meinungen über den weiteren Weg auseinander. Unsere beiden klassischen Landkarten führen zu völlig unterschiedlichen Strecken. Auch das zur Hilfe genommene Navi präsentiert nur eine weitere Version, die aber auf den Karten nicht zu finden ist. Und nun? Ich entscheide mich als technikaffiner Mensch für die Navivariante. Und das Navi sollte Recht behalten. Nicht nur dass die Richtung stimmt, die Route entlang des grünblau schimmernden Lago Rapel ist beeindruckend und auch die schönen Strände und Unterkünfte laden zum verweilen ein. Nach ein paar schwungvollen Kurven über sanfte Hügel öffnet sich vor uns der Blick in das Zentrum des chilenischen Weinanbaus, das Valle Colchagua. Sattgrün reihen sich Tausende und Abertausende Weinreben bis an den Horizont. Kein Wunder, dass Chile zu den größten Weinproduzenten der Welt gehört. Chile liegt mit rund 13.000 Hektoliter pro Jahr deutlich vor Deutschland mit einer Jahresproduktion von 9.000 HL. Das kleine Hotel, Viña Bello, könnten schöner nicht liegen. Mitten in den, von drei Seiten umgebenden Weinreben. Trotz aller Romantik zieht es uns aufs Motorrad um die nahe gelegene Stadt Santa Cruz zu erkunden. Doch bei brütend heißen Temperaturen von weit über 35 ° sind wir in Vollmontur deutlich overdressed. Gleich neben der Plaza de Armas, dem kleinen Zentrum, findet sich ein Schattenplatz und wir können Jacken und Handschuhe in den Motorradkoffern verschwinden lassen. Doch so richtig will sich da Gefühl einer kleinen, kolonial geprägten Stadt nicht einstellen. Entlang der Hauptstraße finden sich zu beiden Seiten nur schmuck- und gesichtslose Hausfassaden. Und ein Laden mit grellbunten Platikdingen reiht sich an den anderen. Leider wurde eben die alte Substanz durch Erdbeben, wie an so vielen Orten in Chile, zerstört. Nur das Hotel Santa Cruz strahlt in historischem Outfit. Doch in Wirklichkeit ist das Hotel ein Neubau mit einer Aussenfassade ähnlich der einer Theaterkulisse. Schön aber eben nicht echt. Da um diese Jahreszeit, im chilenischen Frühling, die Sonne senkrecht über unseren Köpfen herab brennt, beschließen wir, den Rest des Tages im Schatten oder im Pool zu verbringen. Zusätzlich verwöhnt das nahegelegene Restaurant Viño Bello mit köstlichen Speisen und schwerem Rotwein. Beim Studieren des Etiketts ist mir klar, warum ich den Wein im Kopf spüre. 14,7% sind schon eine Ansage.
Auf einem Flyer hatte ich ein Bild einer schweizerischen Kabinenseilbahn gesehen, die es hier im Colchagua Tal geben soll. Westlich von Santa Cruz, drei Kilometer vor Colol,findet sich des
Rätsels Lösung. Der Besitzer des Weinguts Viña Santa Cruz ließ sich, weil er eben dies in der Schweiz gesehen hatte, hinauf auf einen Hügel seines Weingutes eine kleine Seilbahn bauen. Carlos
Cardoen, so der Name des Besitzers, baute sich aber auch noch ein eigenes Automobilmuseum, neben dem sehenswerte Museo de Colchagua bei Santa Cruz. Wie wir erfahren, entstammt auch das neue Hotel
in Santa Cruz ebenfalls der Idee und des Geldbeutels dieser schillernden Persönlichkeit. Seit den 80er Jahren gibt es einen internationalen Haftbefehl wegen Verstrickungen in Waffengeschäfte. Da
er somit nicht mehr aus Chile ausreisen kann, verwirklicht er seine Träume nun vor Ort. All das erfahren wir auf einer Führung durch das Weingut. Der kleine Rundgang endet, wie könnte es anders
sein, mit einer Weinprobe. Zuerst umschmeichelt der Gaumen ein starker Roséwein, dann ein tiefroter Carménère, gefolgt von einem Cabernet-Sauvignon der förmlich auf der Zunge zerfließt. Langsam
mache ich mir Sorgen, dass ich nachher in diesem Zustand nicht mehr Motorradfahren kann. Doch noch „müssen“ wir einen Grand Reserve Malbec probieren, der nochmals ein Geschmacksfeuer zündet.
Jetzt ist an Fahren endgültig nicht mehr zu denken. Besonders lustig finde ich, dass unsere Gastgeberin fleißig mitgetrunken hat. Entsprechend leichtfüßig geht es zur Talstation der
Kabinenseilbahn, die uns in drei Minuten auf die Spitze des kleinen Hügels bringt. Auch hier hat Cardoen etwas geschaffen. Eine Hommage an die drei größten Urbevölkerungsgruppen, die Azney aus
dem Norden, die Mapuche aus Mittelchile und die Rapa Nui der Osterinsel. Jedem dieser Volksgruppen sind Exponate und ein winziges Museum gewidmet. Ach ja, und nebenan befindet sich auch noch eine
voll ausgestattete Sternwarte. Nach einer gemütlichen Kaffepause im hauseigenen Restaurant und Stunden später, traue ich mich wieder auf das Motorrad.
Und es macht Spaß, denn kurz hinter Colol geht es im fröhlichen Kurvenschwingen hinauf in die Hügel von Pumanque und kurvenreich wieder hinunter ins Tal der großen Weingüter. Große und bekannte Namen wie die der Rothschilds oder Los Vascos stehen an den Eingängen der riesigen Güter, deren Reben sich mehrere Kilometer bis zu den Winzereien ziehen. In Peralillo, einem kleine Straßennest meldet sich punktgenau zur Mittagszeit mein knurrender Magen zu Wort. Und er wird mit frisch gebratenem Fisch mit köstlich in der Schale gegrillten Kartoffeln verwöhnt. An die Kombination, Motorradfahren, Weinprobe, Relaxen, Motorradfahren, lecker Essen könnte ich mich gewöhnen. Bei der Rückfahrt nach Santa Cruz ist es gut, dass die Straße topfeben und gut ist, denn Schlaglöcher würden sich mit unseren übervollen Bäuchen nicht gut machen.
Wolken sind über Nacht aufgezogen und es ist, besonders im Gegensatz zu gestern, empfindlich kühl geworden. Das Navi ist mit Überland- und Offroadstrecken gefüttert. Nach ein paar knackigen
Kurven Richtung Westen und einer kleinen, sanften Bergstrecke geht es wieder hinüber ins Tal von Colol. Dichter und dunkler werden die Wolken von Minute zu Minute. Und dann, als hätte jemand die
Dusche voll aufgedreht, beginnt es stark zu regnen. Wie könnte es anders sein, darauf hatte ich nicht gewettet und so müssen wir schnellstmöglich etwas zum Unterstellen suchen. Zum Glück sind die
chilenischen Bushaltestellen meist überdacht und wir retten uns vor dem Wolkenbruch unter das schützende Dach. Schnell ziehe ich das Goretex-Inlet an und will auch die wasserdichten Handschuhe
überstreifen. Aber, es ist schon zu ahnen, befinden sich diese tief unten in der fest verschnürten Gepäckrolle. Alles abbauen oder mit nassen Handschuhen weiterfahren. Ich entscheide mich, gegen
alle Vernunft, für die nasse Variante. Vier Kilometer westlich des Ortes Colol ist der Einstieg in die 47 km lange Naturstraße hinüber in die Region Maule. Doch als ich diese Piste sehe, stockt
mir schon ein wenig der Atem. Vom Regen komplett aufgeweicht, schmierig, dass ich selbst beim Testen mit den Stiefeln ständig ausrutsche. Und zu allem Übel auch noch vom gerade darüber gefahrenen
Lastwagen mit tiefen Furchen verziert. Das wäre, gerade zu zweit auf einer Maschine, eine echte Quälerei mit Spaßfaktor Null. Etwas enttäuscht wende ich die Yamaha und fahre die gesamte Strecke
wieder zurück nach Santa Cruz, da es Richtung Süden keine andere Alternative gibt. Wenigstens hat der Regen mittlerweile aufgehört, aber es ist bitterkalt und mir frieren, bedingt durch den
Chilleffekt mit den nassen Handschuhen, die Finger ein. Leider drängt die Zeit und es gilt nun eine zügigere Gangart einzulegen. Schnell haben wir die riesigen Weinrebenfelder hinter uns gelassen
und tauchen in die Region Maule ein. Diese zeigt ein deutlich verändertes Vegetationsbild. Wüsste man nicht, dass man in Chile ist, würde diese Landschaft glatt als Süddeutschland durchgehen.
Eine alternative Streckenführung, die recht schnell nach Süden führt, gibt es in diesem Teil Chiles nicht. Heißt deshalb nun für uns die Autobahn 5 zu nehmen, die legendäre Panamericana. Und so
fahren wir zwar komfortabel aber auch leicht gelangweilt, vorbei an Curico, Talca, bis wir endlich kurz nach Chillan, die Autobahn wieder verlassen können.
Ziel ist das kleine Weingut Viña Chillan, das vom schweizer Winzer und Landwirt Rudolf Ruesch geführt wird. Herzlich und mit festem Handschlag werden wir auf Schweizerdeutsch willkommen geheißen. Doch Rudolf muss gleich wieder zur Arbeit und will auch noch schnell, es ist 16 Uhr, zu Mittag essen. Später, beim Abendessen, erzählt er uns, dass er auch noch eine große Rinderherde sein eigen nennt, die ihm im Moment aber Sorgen bereitet, da fast alle Rinder an einer Grippe erkrankt sind. Doch gleich darauf strahlen wieder seine Augen als er uns die leckeren Speisen aufzählt die uns heute erwarten. Und er vergisst natürlich nicht, auf den besonders guten Wein aus seinem Keller hinzuweisen den er nun gleich ausschenken wird. Bei 14,7 prozentigem Camenere und 14,5 prozentigem Malbec klingt der Abend noch lange nicht aus. Und Rudolf erweist sich als Meister der Unterhaltung, erzählt vom Anfang des Weinguts 2001 bis zum verheerenden Erdbeben des Jahres 2010, dass er live miterlebt hat.
Die Führung durch sein Weingut und seinen Weinkeller und die spannenden Geschichten von Rudolf fesseln uns so, dass wir ganz vergessen, dass wir heute noch „Strecke machen“ müssen. Wieder rauf auf die Panamericana Kurs Süd. Eine Ausfahrt zu früh verlasse ich diese und lande mitten im Chaos. Temuco, eine Stadt mit 260.000 Einwohnern und Hauptstadt der Region Araucania, lässt einen verzweifeln. Null Wegweiser und keine markanten Anhaltspunkte finden sich in der gesichtslosen Stadt. Gesichtslos hauptsächlich deshalb, da nach dem Erdbeben von 1960 nahezu alles schnell wieder aufgebaut werden musste. Auch unser Navi tut sich schwer und führt uns durch winzige Wohngebietsstraßen. Ruck zuck sind wir nach einer guten Stunde raus aus diesem Moloch und finden die Straße nach Cunco. Wie herrlich ist dies zu fahren, sanfte Kurven in dieser hügeligen Landschaft versüßen das Motorradfahren. Und auch die ständige Berg- und Talfahrt der langen Geraden macht mächtig Freude. Viel zu schnell sind wir am Abzweig Faja 16000 mit dem Hinweisschild Adela &Helmut. Was jetzt folgt sind knackige viereinhalb Kilometer Schotterpiste mit, besonders in den Spitzkehren, ausgewaschenen Passagen. Doch das 21 Zoll Vorderrad der Ténéré kämpft sich auch hier souverän hindurch. Helmut, ein waschechter Schwabe, hat hier mit seiner einheimischen Frau Adela ein Gästehaus mit voll eingerichteten Wohnungen und ein Backpacker-Quartier aufgebaut. Adela zaubert für uns an diesem Abend ein Essen mit einer riesigen Portion Lachs, leckeren Dips, knackigem Salat und einer süßen Nachspeiseverführung. Natürlich gibt es auch hier wieder viel zu erzählen und wir lauschen aufmerksam den Erzählungen Helmuts.
Am nächsten Morgen gibt er uns für die Offroadtour durch den Nationalpark Conguillio genaue Tipps, welche Streckenabschnitte kniffelig zu fahren sind und wo wir aufpassen sollen. Und, er gibt uns auch noch eine große Dose Bier mit, die wir am Parkeingang beim Parkranger abgeben sollen.
Wieder 4,5 km Schotter, zurück auf die Hauptstraße und einige Kilometer Asphalt, führen nach Cunco, einer kleinen, aber liebenswerten Provinzstadt. Da wir der Tankanzeige nicht recht trauen, füllen wir unseren Tank randvoll, da es auf den nächsten 120 km keine Tankstelle mehr gibt. Bereits am Ortsausgang des nächsten Dorfes, Melipeuco, sehen wir den Bilderbuch Vulkan Llaima, einer der aktivsten Vulkane Chiles. Und auch am Ortsausgang endet das Asphaltband und ab jetzt heißt es „Schotter pur“.
Die uns von Helmut mitgegebene Dose Bier wirkt an der Zahlstelle zum Eingang des Nationalparks Wunder. Mit einem breiten Lächeln sind wir von nun an Mitglieder einer Reisegruppe und bezahlen nur ein Drittel des normalen Personenpreises. Grobschotterig geht es vorbei an noch jungen Lavafeldern hinauf auf das Hochplateau auf der Südostseite des Vulkans. Der Blick auf den mit einem Eispanzer bedeckten, in der Sonne glitzernden Berg, verschlägt einem den Atem. Ebenfalls verschlägt einem der Pistenabzweig hinüber zur Laguna Verde den Atem. Wie auf Watte gebettet gleitet die Yamaha auf pechschwarzer Aschepiste. Still, garniert mit abgestorbenen Baumstämmen, präsentiert sich der See, der seinen Namen zu Recht trägt. Spiegelt sich doch der Himmel im grünblauen Wasser des Sees. Rund zweieinhalb Kilometer genießen wir die Aschepiste, die in der Nationalparkkarte nicht eingezeichnet ist, entlang des Sees.
Vor einigen Pistenpassagen hatte uns Helmut gewarnt und diese auch in die Karte eingezeichnet. Und fast auf den Meter genau fordert der ausgewaschene rund 50 Meter lange Anstieg alles von Maschine von Fahrer. Wovon wir dann noch überrascht werden, sind die teils 50cm tiefen Wasserdurchfahrten, die sich nach dem gestrigen Regen gebildet haben. Da ich diesmal die am Schaft etwas kürzeren Stiefel anhabe, muss ich die Füße von den Rasten nehmen, damit mir das Wasser nicht oben reinläuft. Entsprechend unpräzise steuere ich durchs schlammige Wasserloch. Doch die Belohnung folgt einen Kilometer später, die Laguna Arco Iris. Majestätisch spiegelt sich Vulkan Llaima im kleinen Bergsee. Nur die immer wieder das Wasser kräuselnden Winde, stören die perfekte Silhouette. Von diesem Anblick sich loszureißen fällt schwerer als gedacht.
Und dann, nach der nächsten Kurve, sind wir sie. Die Bäume, die der ganzen Region ihren Namen geben, die Araucanien. Diese Bäume verleihen dieser vulkanisch geprägten Landschaft etwas Urzeitliches. Und dies täuscht nicht, sind doch die Araukanien eine uralte Koniferenart, die es schon zur Jura- und Kreidezeit, also vor 145 bis 200 Millionen Jahre gab. Hier oben im Nationalpark konnten diese langsam wachsenden Bäume überleben, während sie in bewirtschafteten Zonen vom Menschen gefällt und meist durch schnellwachsende Eukalyptus Bäume ersetzt wurden. Wenn jetzt noch irgendwelche urzeitlichen Tiere durch die Araukarienwälder streifen würden, wir würden es glauben. Auch hier fällt es schwer, sich wieder auf das Motorrad zu setzen und weiterzufahren. Eine Gelegenheit länger im Park zu verweilen bietet der Campingplatz am großen Lago Conguillio, unweit des Informationszentrums des Parks. Jedoch, wir wollen weiter, weiter zum Laguna Captrén. Ein bemaltes Hinweisschild macht uns stutzig. Weiterfahren nur mit "zwei" angetriebenen Achsen und auch auf der uns von Helmut vorbereiteten Karte, ist die Stelle als besonders schwierig deklariert. Zum Umdrehen habe ich keine Lust, wird schon irgendwie klappen ist die Parole. Erdig, im dunklen Wald, schmierig und mit tiefen Spurrinnen zeigt sich der, nicht unerhebliche, Anstieg. Aber zwischen den verschiedenen Spurrinnen gibt es eine Art schmales Hochplateau. Und genau darauf lässt es sich, präzises Zielen vorausgesetzt, recht komfortabel die Bergstrecke erklimmen. Oben angekommen öffnet sich der dunkle Wald und wir können wieder den makellos blauen Himmel sehen. Drei Kilometer weiter dann die schon ersehnte Laguna Captrén, mit ihrem Unterwasserwald. Vor der Kulisse der schneebedeckten Anden, hat dieser kleine See etwas mystisches. Wiederum lädt ein Campingplatz zum längeren Verweilen ein. Doch auch hier zieht es uns weiter. Stets den Vulkan Llaima zu unserer Linken verlassen wir nach rund acht Kilometern den Park. Unser Nummernschild wird beim Ausfahren notiert, so dass die Parkverwaltung stets weiß wer sich im Park befindet. Weitere 65 km Schotterpiste begleitet uns bis zur nächsten Asphaltstraße. Eigentlich wollten wir noch die Fondacion Cholchol besuchen, in der Kunst der Mapuche Indianer zu Fairtradepreisen verkauft wird. Aber direkt vor unseren Augen schließt das Eingangstor. Nun gut, dann beim nächsten Mal. Nur noch 70 Kilometer trennen uns von einem köstlichen Abendessen bei Adela und Helmut und einem köstlichen Bier der Marke "Baltica Dry". Insgesamt 270 km ist die heutige Tagesetappe lang, davon rund 110 km Schotterpiste. Ein echter Genusstag für jeden OffRoadfahrer.
Es heißt Abschied nehmen von einem Stück Schwabenland im Mapucheland. Mit frischem Rührei der hauseigenen Hühner gestärkt lassen wir es auf der Pistenhausstrecke ordentlich fliegen. Ein paar
Kilometer weiter im Ort Cunco ist der Teufel los. Es ist Wahlsonntag in Chile und die Hauptstraße vor dem einzigen Wahllokal der Stadt ist zur Fußgängerzone erklärt. Überall sichert Polizei und
Militär die Straßen. Etwas ungewöhnlich für unsere Augen. Doch die Einwohner machen daraus ein wahres Fest. An allen Ecken stehen kleine Markt- und Essenstände. Von überall her klingt Musik. Nur
eines gibt es heute nicht, Bier. Denn an Wahltagen ist Alkoholausschankverbot. Wegen der Sperrung finden wir auch nicht gleich den Einstieg zur Piste nach Süden. Nach drei Kilometer Teerstraße
heißt es, Schotterpiste pur. Hinunter an den Lago Colico, der uns einen atemberaubenden Blick beschert. Eingebettet zwischen den tiefgrün bewaldeten kleinen Berghügeln. Es ist schwer zu
entscheiden wohin der Blick gehen soll. Auf den romantischen See oder auf die immer anspruchsvoller werdende Piste. Rund zehn Kilometer führt der Weg am Nordufer des Sees entlang. Mal fast auf
Seehöhe, dann wieder hoch darüber an einer Steilwand entlang. Kaum zu glauben, dass es in dieser Einsamkeit noch viele Bauernhöfe mit Viehzucht gibt. Nachdem der See langsam aus unserem
Rückspiegel verschwindet, steigt die Piste mehr und mehr an. Den fjordartig, tief eingebetteten nächsten See, den Lago Caburguo, können wir zwischen den die Sicht versperrenden vielen Bäumen nur
erahnen. Die Strecke wechselt hier, in den dunklen Waldstrecken stets von Schotter auf Waldboden, der sich aber erstaunlich gut und sicher befahren lässt. Für einen kurzen Moment, können wir im
zehn Seelen Dorf Playa Negra, die ganze Pracht dieses Bergsees genießen.
Fast schon sanft gleiten wir Kilometer und Kilometer, Höhenmeter um Höhenmeter weiter Richtung Osten. Als wir aus dem dichten Wald herauskommen, bietet sich eine einzigartige Szenerie. An den Berghängen, hinauf zur Argentinischen Grenze, stehen dicht an dicht Araukanienbäume wie aus dem Bilderbuch. Selbst oben auf dem Grenzkamm recken diese Urbäume stolz ihre Äste in den Himmel. Vor lauter bewunderndem Umherschauen merke ich viel zu spät, dass ich für den vor mir liegenden extrem steilen Anstieg, gewürzt mit tiefen Furchen, den falschen Gang drin habe. Und ausgerechnet jetzt bekomme ich den ersten Gang nicht rein und lande im Leerlauf. So hänge ich am unteren Ende des Hangs in einer Furche fest und kann gerade noch einen Sturz abwenden. Durchatmen, Gang präzise einlegen und ganz sanft anfahren ist nun gefragt. Und es klappt, der Stollenreifen greift und langsam nehmen wir wieder Fahrt auf.
Seit Stunden sind wir keiner Menschenseele mehr begegnet, so dass es gut tut im Dorf Reigolli wieder auf ein normales Dorfleben zu treffen. Und, so unglaublich es klingt, wir genießen auch die geteerte, glatte Hauptstraße des Ortes. Leider gibt es hier kein Restaurant in dem wir unseren Hunger etwas stillen können und auch die Freude über die Teerstraße ist nur von kurzer Dauer, endet doch diese genau am Ortsausgangsschild. Entlang eines Gebirgsflusses geht es recht zügig voran. Da es seit Tagen nicht mehr geregnet hat, ziehen wir eine mächtige Staubfahne hinter uns her. Doch das Flusstal wird zunehmend enger und die Straße führt höher und höher am Berghang hinauf. Und höher und höher wird auch die Grobschotterauflage. Trotz des 21 Zoll Vorderrades schlingert das Motorrad recht ungemütlich. Rund zehn Kilometer, bis nach Currarrehue, schlingern wir so dahin. Nach 118 Kilometer anspruchsvoller Piste haben wir uns den Besuch, des direkt neben der Tankstelle liegenden, Restaurants verdient. Hier müssen wir alle unsere Spanischkenntnisse zusammennehmen, denn eine Speisekarte gibt es nicht, dafür wortgewaltige Aufzählungen von einheimischen Köstlichkeiten. Ein exzellent gebratenes Hähnchen, sahnig weiche Kartoffeln und der knackfrische Salat lassen die Lebensgeister wieder mehr als aufleben. Ob das wohl mal eines der Hühner gewesen ist, die lustig gackernd rund um uns herumlaufen. Jetzt nur nicht darüber nachdenken.
Die nächsten 36 Kilometer bis in den Touristenort Pucon sind fahrerisch unspektakulär. Doch es fällt unglaublich schwer die Augen auf die Straße gerichtet zu lassen. Viel zu schön ist der Blick auf den, wie aus dem Bilderbuch stammenden, Vulkan, den Vulkan Villarica. Mayestätisch, die weiße Schneekappe im hellen Sonnenlicht glitzernd, erhebt sich dieser 2.840 Meter hohe Vulkankegel. Von stets aus dem Krater aufsteigenden Rauch- oder Dampfschwaden sehen wir aber im Moment nichts. Vielleicht macht er heute einfach eine Nichtraucherpause.
Der am Fuße des Vulkans liegende Ort Pucon ist ein typischer chilenischer Ferienort mit vielen Restaurants, Cafes, Bars und vor allem, vielen Adventure-Agenturen. Unser Hostal, das Casa Satya, liegt etwas außerhalb in einer ruhigen Seitenstraße. Doch in der Vorsaison verbreitet das, ansonsten überfüllte, Ortszentrum einen durchaus gemütlichen Charme. Vielleicht auch deshalb, weil wir ein bayrisches Lokal mit frisch gezapftem Bier finden. Hier fällt es nicht schwer, über die Landkarte gebeugt, alle die wunderbaren Streckenabschnitte der Tour Revue passieren zu lassen.
Badehose und Handtücher einpacken gilt es für den heutigen Tag. Denn rund um den aktiven Vulkan Villarica gibt es eine Reihe von Thermen, die zum Plantschen im heißen Wasser einladen. Eine der,
auch optisch, spektakulärsten Thermen soll die "Termas Geométricas" sein. Ursprünglich hatten wir vor, direkt durch den Nationalpark Villarica zu fahren, aber nachdem am Vortag drei KTM Fahrer
auf halber Strecke wieder umgedreht sind und anschließend noch einige Zeit an den Motorrädern schrauben mussten, entscheiden wir uns für die sanfte Version. 25 Kilometer entlang der Südseite des
Lago Villaricas hinüber nach Westen in die größte Stadt am See, Villarica. Ja, hier ist alles nach dem Vulkan benannt, See, Stadt, Nationalpark. Villarica selbst ist nicht wirklich sehenswert, zu
viele, zu schnell aus dem Boden gestampfte Häuser- und Hotelblöcke. Dafür entschädigt die sich sanft zwischen den Hügeln schlängelnde Straße hinunter
zum 26 Kilometer entfernten Lago Calafquén. Ebenfalls touristisch umfassend erschlossen, aber dennoch schön am Nordufer daran entlang zu fahren. Fast ist es als wäre man entlang eines
oberitalienischen See unterwegs. 20 Kilometer weiter, in Coñaripe, zweigt die Straße zur Therme ab. Ein kleiner, unscheinbarer Wegweiser, wir sind natürlich erst mal daran vorbeigefahren, zeigt,
dass wir richtig sind. Eine breite, recht steile Schotterpiste führt am Südhang des Vulkans hinauf. Über sechzehn Kilometer feinstes Offroad-Vergnügen begeistern. Wieder ein winziger Wegweiser,
wieder fast verpasst, und wieder geht es nochmals steiler den Hang hinauf. Dann, nach einer scharfen Kurve haben wir das Ziel erreicht. Ein unscheinbarer Eingang und ein einziges Auto sind zu
sehen. Völlig durchgekühlt kommen wir an. Am Morgen ist es momentan nicht wärmer als acht Grad. Aber wir wollten ja gleich zur Öffnung in der Terma Geométricas sein, denn von 10 bis 12 Uhr lassen
sich pro Person 2.000 Pesos sparen. Und durch das Empfehlungsschreiben von Helmut, als Reiseagentur, sparen wir nochmals 10 Prozent. Noch immer schlottern wir in unseren Motorradklamotten und der
Anblick der Umkleidekabinen lässt die Gänsehaut noch stärker auftreten. Denn die Kabinen sind nach allen Seiten unten und oben hin offen. Aber der Anblick, der wunderschön zwischen den Felsen und
tropischer Vegetation gelegenen 17 Wasserbecken macht an. Anmacht auch die Beschilderung an den Becken mit 37°, 39°, 41°, 44° und "muy caliente". Auf
rot lackierten Holzstegen geht es in der engen Felsschlucht, über fast 500 m hinauf. Überall dampft es, überall plätschert der warme Fluss, der tief aus dem Innern des Vulkans kommt. Wir
probieren das 39° warme erste Becken. Doch so durchgefroren wie wir sind, empfinden wir dieses Temperatur als viel zu heiß. Bei 37° geht es besser und wir können uns rundum im Thermalwasser
aufwärmen. Nach und nach steigern wir uns, und schaffen es bis zum Becken mit 44°. Dabei heizt es uns aber schon recht mächtig ein. Insbesondere meine Schrammen am rechten Bein, die ich mir beim
unvorsichtigen Absteigen vom Motorrad vor zwei Tagen geholt habe, brennen höllisch. Doch der Gedanke, dass das Heilwasser ja dafür gut sein soll, lässt die Schmerzen aushalten. Diese Therme ist
ein einzigartiges Erlebnis. Einzigartig auch deshalb, weil das, vom Architekten Germán del Sol, geschaffene Ensemble aus geometrisch angeordneten Stegen, Basins, Ruhebereichen und weiteren
geometrischen Elementen ein wahres Kunstwerk darstellt. Auch der Name der Therme leitet sich aus der Form der Elemente ab.
Viel zu lange verweilen wir an diesem Tag noch in Pucon mit Blick auf den Vulkan Villarica. Doch von so einem Anblick kann man sich wirklich schlecht losreißen. Rund 300 Kilometer geht es nun
wieder Richtung Norden. Vorbei an Villarica, Temuco und weiter in die Region Biobio zu den Wasserfällen, Saltos del Laja. Hier stürzt der gleichnamige Fluss über insgesamt vier Fälle bis zu 40
Meter tief. Im chilenischen Sommer besuchen Tausende dieses Naturschauspiel. Heute ist es jedoch sehr ruhig und die kleinen Kioske und Restaurants schließen bereits um 18 Uhr. In unserem, etwas
in Jahre gekommenen Hotel ist zum Glück das Restaurant geöffnet. Und wir werden mit einem exzellenten Abendessen überrascht. Mit dem Blick von der Zimmerterrasse direkt auf den Wasserfall endet
dieser Tag.
410 Kilometer sind für die heutige Tagesetappe geplant. Schnell haben wir auf der Panamerikana die 260 km Kilometer bis Talca abgespult. Ab hier geht es auf kleinen Landstraße wieder gen Westen.
Und endlich, direkt in Licantén, beginnt er wieder, der Schotterpistenspass. Und dieser endet erst wenige Kilometer vor Pichilemu. Pichilemu ist der Hotspot der Jungen und Junggebliebenen, die
alle nur Eines im Kopf haben. Nein, nicht das was man jetzt denken könnte, es ist das Surfen auf den Wellen des pazifischen Ozeans. Wenn auch das Meer zu keiner Jahreszeit richtig warm ist und
alle mit Neoprenanzügen unterwegs sind, so ist der ganze Ort einzig und allein auf dieses Freizeitvergnügen ausgerichtet. Passend zum Publikum gibt es kaum Hotels, dafür aber Hostals in riesiger
Zahl. Wir haben uns das Sunset Hostel, das direkt am Meer liegt und seinem Namen alle Ehren macht, ausgesucht. Von der großen Holzveranda des Hostels lässt sich jeden Abend das Schauspiel von
Sonnenuntergang und Surfern genießen. Die Profis unter den Wellenreitern gehen ihrer Leidenschaft ein paar Kilometer südlich der Stadt, am Punta del Lobos, nach. Dort gibt es die höchsten Wellen,
aber auch die höchsten Gefahren. Kreuze und Gedenktafeln oberhalb der Klippen zeugen davon, dass immer wieder Surfer zwischen den Klippen den Tod gefunden haben. Zurück im Ort lädt die
Hauptstraße mit den kleinen urigen Restaurants zum Fischessen ein. Riesige Portionen zu unglaublich niedrigen Preisen dürfen wir hier im Restaurant Docas genießen, dazu ein "Chop" einen halben
Liter frisch gezapften Bieres. Die, wenn auch etwas zu laute, lebensfrohe Musik, passt prima zum Gesamtambiente des Ortes. Pichilemu ist ein echter Geheimtipp für lustigen, lebensfrohen und dabei
günstigen Urlaub an der Pazifik Küste. Nicht nur als Surfers Paradise.
Kühl, sehr kühl, ist es heute Morgen und dazu mit bis auf die See reichenden Nebel. Und noch kühler wird es hinauf in die direkt hinter Pichilemu
aufsteigenden Hügel. Wunderschön gleichmäßig kurvig schlängelt sich die Straße hinauf auf die bewaldeten Höhenzüge. Über 150 km genießen wir die fast verkehrslosen Landstraßen die nach Norden
führen. Als wir kurz vor Casablanca ins gleichnamige Tal eintauchen, hat sich die Quecksilbersäule auf 33° im Schatten eingependelt. Eigentlich wollten wir in diesem Weinanbaugebiet das
Bio-Weingut Emiliana besichtigen, doch bei diesen Temperaturen in voller Motorradmontur verschieben wir das erst mal auf die Rückfahrt. So gleiten wir auf der neuen Autobahn hinein in die
quirlige Millionenstadt Valparaiso.
Unser Navi ist mit der Adresse unseres Hotels gefüttert und so fahren wir frohen Mutes in das Gewirr der kleinen Straßen. Doch auch nach 30 Minuten kreisen wir immer noch zwischen Hafen und den Hügeln. Auch mit dem Sprit wird es langsam knapp. Also erst mal in Ruhe tanken, Navi neu programmieren und dann zum zweiten Versuch starten. Und wie es scheint klappt es. Das Display zeigt nur noch 50 m bis zum Ziel an. In Gedanken höre ich schon "Sie haben Ihr Ziel erreicht", doch es kommt alles anders. Steil geht die Kopfsteinpflasterstraße hinauf. Und unvermittelt endet, bei ca. 25% Steigung, die kleine Straße. Da am Ende auch noch zwei Autos stehen gibt es keine Möglichkeit das Motorrad zu wenden. An einer Haustüre entdecke ich eine kaum einen Quadratmeter große, ebene Fläche. Mit viel Geschick und Schweißperlen unter dem Helm gelingt es die beladene Yamaha so zu wenden, dass wir wieder zurückfahren können. Wie konnte sich das Navi denn so verschätzen. Des Rätsels Lösung findet sich in der Topografie der Stadt. Die eigentliche Straße findet sich kaum fünf Meter entfernt, aber 25 höher auf dem Cerro Alegre. Die Altstadt von Valparaiso, die Unesco Kulturerbe ist, erkunden wir dann erst mal zu Fuß und genießen die einzigartigen Schrägaufzüge, die Funiculares, die teilweise über hundert Jahre alt sind und die zur Zeit, eine nach der Anderen, restauriert werden. Dass die gesamte Stadt auch die heimliche Welthauptstadt der Graffiti Kunst ist, merken wir sehr schnell. Überall sind diese wirklich sehenswerten Kunstwerke zu finden. Und dass diese Kunst absolut "in" ist, zeigt sich daran, dass neue Bauten bewusst mit Graffiti verschönert werden. Auch zu einem "Must" gehört die Fahrt mit dem Trolleybus, ein klapprig schrulliges Vergnügen. Die nächsten beiden Tage hat unsere Yamaha erst mal Pause, die Stadt lässt sich einfach besser zu Fuß, mit Trolley und Bus, und mit den Funiculares erkunden. Wieder ist es nicht leicht, sich von diesem Ort, diesem Land und den freundlichen Menschen, zu trennen, doch der Weiterflug zur Osterinsel - auch ein Offroadparadies - steht bereits am nächsten Tag an.
27 Hektar Schweiz
Was macht ein Schweizer in Chile? Ganz einfach, er gründet ein Weingut und baut heute einer der besten Bio-Weine der Region an. Rudolf Ruesch, ursprünglich aus der Nähe von Frauenfeld im Kanton
Thurgau, kam 1998 nach Chile und lernte Land, Leute und vor allem seine jetzige Frau, lieben. Heute produziert er 12 Sorten Wein, wovon die meisten in Eichenfässern ausgebaut werden. Und ein
Alkoholgehalt von über 14% ist für seine Weine Normalität. Die Viña Chillán liegt rund 24km südlich von Chillán an der Route 5 Richtung Süd, vorbei an der Ortschaft Bulnes. Von hier sind es noch
7 km Richtung Osten, auf der Strasse nach Yungay. Und das Beste, Rudolf bietet auf seinem Weingut 4 komfortable Gästezimmer und Appartements an. Genießen kann man, neben der abendlichen
Weinverkostung, auch das extra für die Gäste zubereitete, leckere und reichhaltige Essen. Rudolf ist dabei der perfekte Gastgeber und so lauschen wir noch bis spät in Nacht den vielen
Geschichten, die er zu erzählen hat. Infos und Buchung unter: www.Viñachillan.com
Schwabe unter
Indianern
Wüsste man nicht, dass man sich mitten in Chile befindet, so würden wir wetten, dass wir uns mitten im Schwabenland sind und dies nicht nur wegen der verblüffend ähnlichen Landschaft und
Vegetation. Herzlich und mit erfrischendem schwäbischen Dialekt werden wir bei unser Ankunft empfangen. Mit seiner Mapuche Frau Adela betreibt er westlich von Temuco, mitten im Mapuche
Indianerland, ein Hostal mit drei Appartements und einer Backpackerunterkunft. Auf Vorbestellung kann man bei den beiden auch mittag- und abendessen. Und was Adela an Köstlichkeiten auf den Tisch
zaubert, lässt uns das Wasser im Munde zusammenlaufen. Ein idealer Ausgangspunkt zum Vulkan Llaima im Nationalpark Conguillio. Und Helmut ist ein absoluter Insider, kennt er doch die Strecken bis
auf jedes Schlagloch genau. Infos und Buchung unter: www.adelayhelmut.com
Allgemeines
Chile ist ein einfach zu bereisendes Land. Ein paar Spanischkenntnisse sollte man jedoch mitbringen, da außerhalb der größeren Städte kaum jemand Englisch spricht. Für die Einreise genügt ein
noch mindestens 6 Monate gültiger Reisepass. Bankomaten und Tankstellen gibt es in Mittelchile genügend.
Unterkünfte
Die Hotels, Hostels und B&B, die über die Internetseite www.backpackerschile.com zu finden, haben fast alle eines gemeinsam. Die Eigentümer sind
Deutsche und Schweizer und bieten viel Insiderwissen für Touren abseits der Touristenpfade. Weitere interessante Übernachtungsmöglichkeiten finden sich unter www.getsouth.com/download.php. Und natürlich gibt es bei den einschlägigen Hotelbuchungsportalen ein großes Angebot.
Motorrad
Für die einfachen Schotterpisten genügt ein Grundlehrgang im Offroadfahren. Bei den oft schwierigen Abschnitten, besonders in den Nationalparks, sollten jedoch solide Offroadkenntnisse vorhanden
sein, besonders zu zweit auf einer Maschine. Wir haben unsere Yamaha 660 Ténéré direkt in Santiago bei www.ride-chile.com gemietet. Tómas und Mick
bieten eine große Palette von Motorrädern an, bis hin zur neuen BMW R 1200 GS.
Reiseführer :Reise-Know-How "Chile und die Osterinsel", Marco Polo "Chile-Osterinsel"
Karten
Reise-Know-How "Chile
Noch etwas detailliertere Karten gibt es direkt in Chile an Copec-Tankstellen. Für das Garmin Navi gibt es eine bereits vorkonfektionierte OpenStreetMap Karte unter http://mapas.alternativaslibres.es/downloads.php#America. Wir haben mit dieser kostenlosen, routingfähigen Karte sehr gute Erfahrungen gemacht.
(c) mototrotter 2013